Student Janis ist das passiert, was wohl mehr Leute kennen, als sie es sich eingestehen wollen: mitten im Studium merkte er, dass sein Studiengang doch nicht der Richtige für ihn war. Was nun? Janis ist den mutigen Weg gegangen und hat sein Studium abgebrochen. Wie er sich dabei gefühlt hat und wie es danach weiter ging, erzählt er euch hier im Interview:

 

 

Janis, warum hast du zuerst den Studiengang Energie- und Prozesstechnik gewählt?

 

 

Meine Interessen waren irgendwie schon immer sehr weit gestreut. Ich hatte nie einen klaren Berufswunsch. Nach dem Abitur direkt in ein Studium zu gehen, von Schulbank auf die Unibank also, das konnte ich mir nur schwer vorstellen. Deshalb war für mich schnell klar, ich muss erstmal raus. Ein Bekannter, den ich auf meiner Reise in Neuseeland traf, schwärmte von seinem Ingenieursstudium. Er war total angetan von den ganzen Knobel-Aufgaben. Mein Interesse war geweckt. In der Schule fielen mir die mathematisch- naturwissenschaftlichen Fächer immer leicht. Ich hatte Mathe, Bio und Chemie als Leistungskurse. Als ich dann nach der Reise vom Maserstudiengang Erneuerbare Energiesysteme in Berlin hörte, wurden meine Vorstellungen konkreter. Der dafür benötigte Bachelorstudiengang hieß Energie- und Prozesstechnik. Ich habe allerdings bis kurz vor Beginn des Studiums gehadert. Soll ich nicht doch lieber dies oder doch lieber das studieren? Aber am Ende entschied ich mich für Knobelaufgaben und Weltretten.

 

 

Was waren deine Gründe für den Abbruch?

 

 

Ich hatte ein ganz starkes Gefühl, das ich hier in diesem Studium nicht am richtigen Platz bin. Wirklich Spaß hatte es mir von Anfang an nicht gemacht. Aber das war ja scheinbar nichts Ungewohntes. Das Grundstudium im Ingenieurstudium sei nun einmal trocken und anstrengend. Doch entgegen meiner Erwartungen wurde es nicht von Semester zu Semester interessanter, sondern es verfestigte sich bei mir der Eindruck, dass ich in diesem Studium einfach keine Dinge finden werde, die mich begeistern würden, für die mein Herz brennen würde. Auch mit Blick auf zukünftige Studieninhalte war ich da nicht optimistischer. Aber es waren nicht nur unerfüllte Erwartungen ans Studium, sondern vielmehr ein ganz starkes Gefühl der Ablehnung dieses Studiums.

 

 

Hast du auch in dem Dilemma "Studienabbruch oder doch nicht?" gesteckt oder warst du dir schnell sicher, wie es für dich weitergehen sollte?

 

 

Ich habe mich lange unwohl gefühlt mit meinem Studium, habe viel darüber nachgedacht, was bei mir nicht rund laufen würde, warum ich mich (anders als manch Kommilitone) nicht für die Inhalte des Studiums begeistern konnte. Erschwert hat mir dabei noch, dass ich sehr gute Prüfungsergebnisse erreichte. Mir wirklich einzugestehen, dass es das Studium war, was mich unglücklich machte, also dass es mich einfach nicht juckte, hat sehr lange gedauert. Aber irgendwann waren der Frust und der Leidensdruck groß genug und ich konnte nicht anders als einzusehen, dass es nicht mehr weiterging.

 

 

Was hat dir in der Zeit der Orientierungslosigkeit geholfen?

 

 

In der Tat habe ich in dieser Zeit extrem viel mit Freuden, Familie und auch Berufstätigen aus dem Ingenieurwesen gesprochen. Das hat sehr geholfen! Dabei war es wichtig mit vielen verschiedenen Leuten zu sprechen: Familie, die einen sehr gut kennen. Freunde aus der Uni , die einen täglich erleben und nicht zuletzt außenstehenden, die mir einfach neutral Infos z.B. zum Berufsbild des Ingenieurs geben konnten. Genauso wichtig wie diese vielen wichtigen Gespräche waren, war es allerdings auch wichtig für mich die endgültige Entscheidung das Studium zu beenden ganz allein zu treffen.

 

 

Dein neuer Studiengang Lehramt Sport/Mathe weist ja viele Unterschiede zu deinem alten Studiengang auf. Wie kam es zu diesem völligen Wandel?

 

 

Ja, der totale Wandel, den ich da vollzogen habe, hat wohl damit zu tun, dass ich mich in meiner Zeit des vielen Zweifelns einfach sehr ausgiebig mit mir beschäftigt habe. Mir wurde bewusst, dass ich mich in Zukunft nicht in einem Büro oder vor dem PC sehe, sondern, dass ich mit jungen Menschen arbeiten möchte. Ein Lehramtsstudium kam für mich eigentlich nie in Frage. Sicherlich hatte das in erster Linie damit zu tun, dass ich es meinen Eltern nicht gleich tun wollte, die beide auch Lehrer sind. Aber ich hab in dem ganzen Zweifeln über mein Studium ganz gut gelernt was wirklich meine Interessen sind, worin ich - wenn man so will - meine Berufung sehe. Das hatte mich die Schule nicht gelehrt. Mein Wunsch Lehrer zu werden hat sicherlich auch viel damit zu tun, dass ich vieles besser machen möchte, als ich es in meiner eigenen Schule erlebt habe. Z.B. sollen doch Heranwachsende nicht bloß zum Erbrechen mit Wissen abgefüllt werden. Es muss doch vielmehr dahin gehen, dass die Kinder in ihren Interessen und Fähigkeiten gestärkt werden. Eine Schule, die sich das mehr zu Herzen nimmt, entlässt sicherlich weniger Schüler, die nach ihrem Schulabschluss so orientierungslos wie ich und viele andere Schulabsolventen vor der Berufswahl stehen.

 

 

Bist du direkt in den neuen Studiengang eingestiegen oder hast du nach dem Abbruch erst einmal etwas anderes gemacht?

 

 

Ich habe nach dem Abbruch meines Studiums zwei Praktika gemacht. Ein kurzes Intermezzo hatte ich an meinem ehemaligen Gymnasium. Ein zweites Praktikum habe ich an einer Integrativen Gesamtschule gemacht. Das hat mich in meiner Entscheidung Lehrer zu werden absolut bestärkt hat mir neue Ideen mitgegeben, wie Schule auch ganz anders funktionieren kann.

 

 

Was empfiehlst du jemandem, der über einen Studienabbruch nachdenkt?

 

 

Zu allererst Offenheit gegenüber sich selbst. Du solltest dich also ernst nehmen. Das heißt nicht, dass du bei der ersten Unlust oder der ersten vergeigten Prüfung den Kopf in den Sand stecken sollst. Aber, wenn sich ein Dauerzustand des Unwohlseins einstellt, dann muss man genauer hinschauen. Das heißt aber auch, dass du dir Zeit nehmen solltest für diese Entscheidung. Dann solltest du, meiner Meinung nach, diese Offenheit auch anderen gegenüber aufbringen. Das heißt nicht jedem X-beliebigen eine Kante ans Bein zu binden. Aber wie gesagt, mit Familie, Freunden offen über die eigene Situation sprechen. Du wirst dich vielleicht wundern, was für einen guten Blick viele auf dich haben. So ein „Ich hab mich schon immer gefragt, was du mit diesem Studium anfangen willst“ kann in einer solchen Situation schon hilfreich sein. Allerdings wird es sinnvoll sein, wenn du nie einzelne Aussagen und Meinungen zu stark gewichtest, sondern du viele verschiedene Perspektiven einholst. Es lohnt sich auch an Leute aus dem zukünftigen Berufsfeld heranzutreten, um sich ein klareres Bild des zukünftigen Jobs zu erschließen. Ein Tipp ist, hierbei nicht ausschließlich auf fachliche Inhalte des Jobs zu achten, sondern auch auf das Drumherum, sich also mit Fragen zu beschäftigen, wie: Möchte ich viel verdienen? Wie wichtig ist mir Selbstständigkeit in meinem Job? Arbeite ich lieber allein oder mit anderen zusammen? Wie wichtig ist mir Karriere und Aufstiegsmöglichkeiten, wie wichtig gesellschaftliches Ansehen? Wenn man diese Fragen für sich geklärt hat und sich sein Bild über den angestrebten Job ausgebaut hat, kann man abschätzen wie nah Erwartungen und zu Erwartendes beieinanderliegen.

 

 

Kennst auch du das Gefühl, dass dein Studiengang doch nicht das Wahre ist? Berichte uns in den Kommentaren von deinem Umgang damit! (ng/fd)